Die WiIly-Brandt-Schule hat sich vor einiger Zeit auf den Weg gemacht, die eigenen Schulregeln zu revidieren und weiter zu entwickeln. In diesen Prozess wurden Eltern, Schülerinnen und Schüler als auch das Kollegium gleichermaßen mit einbezogen. „Unsere Schule existiert schon seit über 25 Jahren, und so wurde es Zeit, unser Regelwerk grundlegend zu überarbeiten und den heutigen Ansprüchen anzupassen.“, so Schulleiterin Ingrid Lürig.
Immer wieder kam es zu Missverständnissen oder Unklarheiten im Umgang mit einander und im Umgang mit dem schulinternen Regelwerk. Interessen von Schülerinnen und Schülern und Ansprüche durch die unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen prallten aufeinander und sorgten für unnötigen Konfliktstoff. Eine umfassende Revision stand an. Dieser Prozess dauerte, kostete Zeit, Kraft und vor allem auch Arbeit. In allen Beteiligungsbereichen der Schule fand eine fast gleiche Arbeitsstruktur statt. Im Kollegium, der Elternpflegschaft, als auch in der Schülerinnen- und Schülervertretung wurden Analysen durchgeführt, die verdeutlichen sollten, welche Schulregeln sinnvoll bzw. redundant sind und welche hinzukommen bzw. erweitert werden müssten. In Workshops und Konferenzen wurden Vorschläge erarbeitet, und in einer Steuerungsgruppe sind diese dann zusammengetragen worden. Ziel war es, neben der Revision des Regelwerkes vor allem das Regelwerk zu vermitteln und die Akzeptanz dessen bei allen Beteiligten zu verstärken.
Im Rahmen des Revisionsprozesses gab es zum Beispiel eine Neufassung der Absprachen im Umgang mit neuen Medien, speziell dem Umgang mit dem Handy in der Schule, eine flächendeckende Einführung von Lernzeiten oder Konfliktlösungsstrategien. Ein besonderer Fokus kristallisierte sich in der Diskussion aber heraus: Wie kleidet man sich angemessen in der Schule? Hier standen vor allem immer wieder Irritationen im Vordergrund, die für Zündstoff gesorgt haben. Nicht nur innerhalb der Schule sondern auch zuhause bei den Schülerinnen und Schülern führte diese Thematik regelmäßig zu intensivem Gesprächsbedarf.
Ist die Hose zu kurz, der Ausschnitt zu tief, der Trainingsanzug zu leger oder der Aufdruck auf dem T-Shirt zu provokativ? „Mir ging es schlichtweg auf die Nerven, dass ich mich als Lehrer immer wieder rechtfertigen musste, wenn Kevin mal wieder in seiner schlabbrigen Jogginghose zu Schule kam!“ so ein damals gestresster Kollege. „Der Schüler sah es überhaupt nicht ein, dass er sich in der Schule anders zu kleiden hat, als würde er abends gemütlich auf der Couch liegen“, so der Kollege weiter. „Dies war kein Einzelfall“, so die Schulleiterin Ingrid Lürig, „immer wieder standen Kolleginnen und Kollegen bei mir im Büro, die sich darüber beklagten, dass Schülerinnen und Schüler unpassend gekleidet waren.“
Aber was ist eigentlich eine unpassende Kleidung für eine Schule? Diese Frage ist in den Workshops und Konferenzen umfassend diskutiert worden. Die kontroversen Seiten waren schnell klar: Zum Einen sollen sich Schülerinnen und Schüler frei entfalten, ihre Meinung sagen, ihr persönliches Profil entwickeln, zum Anderen sollen von der Schule klare Linien aufgezeigt werden: Der Englischunterricht ist kein Fitnessstudio oder der Matheunterricht nicht der Strand von Mallorca. Zwischen diesen Kontroversen wurde der Konsens in der Kleidungsordnung der Willy-Brandt-Schule gesucht und gefunden:
„Unsere Schule ist ein öffentlicher Ort und daher haben wir grundsätzlich alle das Recht, frei über die Wahl unserer Kleidung zu entscheiden. Wichtig bei der Auswahl ist, dass wir niemand anderen damit irritieren.“ so ein Auszug aus der Schulordnung. Zu dieser „Kleidungspräambel“ sind Zeichnungen mit kleinen Empfehlungen entwickelt worden, die allen die Kleidungswahl erleichtern sollen.
„Am Anfang fand ich es nicht so toll, dass die Schule mir vorschreibt, was ich anzuziehen habe!“, so eine Schülerin der 9. Jahrgangstufe. „Inzwischen merke ich aber, dass mir die Entscheidung morgens am Kleiderschrank erleichtert wird. Ganz bestimmte Kleidungsstücke lasse ich einfach im Schrank, die haben in der Schule nichts zu suchen.“ Die Schulgemeinde hat sich darauf verständigt, dass es sich nicht um eine Kleidungsvorschrift handelt, sondern um eine Handreichung und Entscheidungshilfe. „Natürlich dürfen die Schülerinnen bei uns Leggins tragen, allerdings nur, wenn sie darüber eine kurze Hose oder ein langes Oberteil tragen.“, erklärt Ingrid Lürig. „Es geht nicht um Einschränkung oder Bevormundung, wir bereiten die Schülerinnen und Schüler auf das berufliche Leben und das Verhalten in unserer Gesellschaft vor. Dazu gehört auch, dass man sich den Anlässen entsprechend zu kleiden hat!“ Die Kleiderordnung erlaubt zum Beispiel auch sportliche Kleidung. Nur das Tragen von Jogging- oder Trainingsanzügen in der Schule ist unerwünscht, abgesehen vom Sportunterricht. Darüber hinaus ist die Kleidung so zu wählen, dass sie frei von Aufdrucken ist die Rassismus, Drogen oder Gewalt verherrlichen.
Der Erfolg des Konzeptes wird sichtbar: Die Anzahl der Ordnungsmaßnahmen ist in den letzten Jahren rückläufig und eher als gering einzustufen. Dies lässt unter anderem darauf schließen, dass die Akzeptanz der Schulordnung durch die Schulgemeinde als relativ hoch zu bewerten ist. „Es gibt natürlich auch immer wieder Schülerinnen und Schüler, die den vereinbarten Ordnungsrahmen verlassen. In diesen Fällen setzten wir uns direkt mit dem Elternhaus in Verbindung.“ so die Schulleiterin. „Wir erinnern daran, dass die Schulordnung nicht nur vom Kollegium, sondern auch von Schülerinnen und Schülern, sowie der Elternpflegschaft verfasst wurde, dies hilft in der Regel!“
Die Schulordnung wird jährlich neu im sogenannten Logbuch abgedruckt. Das Logbuch selber ist ein Kommunikationsmittel zwischen Schule, Schülerinnen und Schülern sowie dem Elternhaus. In diesem Buch werden alle wichtigen Dinge notiert. Über das Logbuch erfolgt das Entschuldigen von Fehlstunden, oder hier sind alle wichtigen Ansprechpartner zu finden. Zu jedem Schuljahr werden die Regeln mit allen Beteiligten immer wieder besprochen und auch erneut erläutert. Besiegelt werden die Vereinbarungen durch Unterschriften aller Beteiligten und der Verpflichtung, sich an diese zu halten bzw. die Schule in ihrer Bildungs- und Erziehungsaufgabe zu unterstützen.